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Voraussetzungen zur Erreichung eines Jahresüberschusses

5.2.1 Unterschiedliche Ausgangssituationen – Wie bewerten

Die Anforderung an ein PEQ im Betrieb ist, dass in der Jahresbilanz ein Überschuss an erneuerbarer Energie erreicht wird. Dabei sollte der Energiebedarf für Heizen/Kühlen, Warmwasser, Haushaltsstrom, Hilfsenergie, und Quartiersstrom (Aufzüge, Beleuchtung außen etc.), ggf. Betriebsenergie für Nicht-Wohn Bereiche oder auch E-Mobilität abgedeckt sein.

Diese Anforderung bringt Nachteile für zwei Quartierstypen:

  1. Quartiere in verdichteten Gebieten
    Der Grund ist, wie bereits oben beschrieben, dass in verdichteten Gebieten weniger Fläche für die (erneuerbare) Energieerzeugung zur Verfügung steht als in Siedlungen mit lockerem Bestand. Im Gegensatz zum Energiebedarf ist das lokale Potenzial zur erneuerbaren Energieerzeugung in etwa proportional zur Grundstücksgröße; je niedriger der Flächenindex eines Gebäudes ist, desto leichter wird es, den Plusenergie-Standard zu erreichen; umgekehrt ist es praktisch unmöglich, eine Plusenergiebilanz ab einem bestimmten höheren Flächenindex zu erreichen – es gibt einfach nicht genug erneuerbare Energiepotenziale vor Ort für die nutzbare Bodenfläche (siehe dazu Schneider, S., & al., 2019). Ab Vier- bis Fünfgeschossigkeit wird die Planungs-Herausforderung an die Effizienz sehr hoch, bei weiterer Verdichtung muss entweder mit intensiver Fassaden-PV gearbeitet werden oder eine andere Art der Kompensation gefunden werden.

    Dies führt dazu, dass je effizienter ein Gebäude in Bezug auf die Landnutzung ist, desto schwieriger, wenn nicht gar unmöglich ist es, den Plusenergie-Standard zu erreichen; daraus darf nicht die Konsequenz erwachsen, dass indirekt eine weniger effiziente Nutzung der begrenzten Ressource Boden induziert wird (siehe dazu auch Schneider, S., & al., 2019). (Schneider, S., & al., 2019) schlagen daher vor, diese Diskrepanz aufzulösen, indem die PEB (Primärenergiebilanz)-Schwelle (mit der PEB wird in den meisten Fällen zwecks Vergleichbarkeit der Energieträger gerechnet) nicht auf die symbolische, aber willkürliche Null, sondern auf einen Wert, in Abhängigkeit von der Geschoßflächenzahl, bezogen wird.

    Die Konsequenz wäre, dass der Zielwert für die Primärenergiebilanz nicht mehr nur Null (oder positiv) wäre, sondern abhängig vom Bodenverbrauch: sehr dünn besiedelte PEQ müssten dann eine deutlich positive Bilanz haben, dichte urbane Gebiete könnten auch knapp unter Null zu liegen kommen.
     
  2. Mischquartiere (Mix aus Bestandsgebäuden und Neubau)
    Der Grund ist, dass die Anforderung nach einem Jahresüberschuss die Einbindung von Gebäuden erschwert, bei denen eine hocheffiziente Sanierung nicht umsetzbar bzw. wirtschaftlich ist, zum Beispiel weil es sich um denkmalgeschützte Gebäude handelt.

    (Hegger, M. & al., 2014) plädieren dafür, Mischquartiere, die einen hohen Energiebedarf und damit große Potentiale für Optimierungen besitzen, nicht mit unlösbaren Aufgaben zu konfrontieren. Stattdessen könnten unterschiedliche Kategorien eingeführt werden: Quartiere, die sich in der Jahresbilanz zwar selbst mit Energie für bestimmte Bilanzbereiche (von der Gebäudekonditionierung zur Haushalts- und Betriebsführung) versorgen, könnten so als Niedrigst- oder Nullenergiequartier eingestuft werden. Verbleibt ein signifikanter Überschuss, würde von einem „PlusEnergieQuartier“ gesprochen werden. Letztendlich, so wird argumentiert, sind die Grenzen zwischen Niedrigst-, Netto-Nullenergie und Plus-Energie fließend.

    Ein weiterer möglicher Ansatz wäre, einer Benachteiligung des Bestands in der gängigen, klassischen PEQ Betrachtung (netto Null PE-Bilanz) dadurch zu begegnen, dass die graue Energie einberechnet und die Bilanz über den ganzen Lebenszyklus ausdehnt (oder zumindest 30 Jahre) wird. Ein Argument dafür ist, dass die graue Energie des Bestands bereits aufgebracht ist und daher mit Null bewertet werden könnte. Damit wäre es dann auch rechnerisch energetisch und hinsichtlich der Emissionen günstiger, einen Bestand zu sanieren statt neu zu bauen.

Definitionen zu den Begriffen NZEB, Niedrigst- oder Nullenergiegebäude finden Sie hier.