Zum Hauptinhalt springen
Konkrete verkehrsplanerische Maßnahmen

Stau als Steuerungsinstrument

In der Verkehrsplanung wurde lange Zeit das Hauptaugenmerk auf den motorisierten Fließverkehr gelegt. Stau war und ist ein Phänomen, welches es unter allen Umständen zu vermeiden galt und gilt. Die traditionelle Vorgehensweise war, dort, wo Stau auftritt, durch Kapazitätserhöhung (z. B. durch neue Fahrspuren, durch Verkehrsmanagement-Maßnahmen wie „intelligente“ Ampelschaltungen, Umfahrungsstraßen etc.) den Stau zu beseitigen.

Betrachtet man diese Maßnahmen systemisch, wie in Kapitel 5 andiskutiert, so erkennt man, dass diese Vorgehensweise nicht zur Problemlösung beiträgt, sondern im Gegenteil die Autoattraktivität und damit die Autoabhängigkeit erhöht und somit zur Vergrößerung des Problems (= mehr Stau) beiträgt. Das Verständnis dieses Sachverhalts ist, so scheint es, noch immer nicht in der modernen Verkehrsplanung angekommen. Das folgende Beispiel einer Systemanalyse aus dem Jahr 1984 stellt dies in der Syntax eines Causal-Loop-Diagramms dar:

Wie man aus der Abbildung erkennt, führt eine Kapazitätserhöhung zuerst zu einer Reduktion des Staus (und alles wäre gut!). Leider wirkt ein weiterer Regelkreis, der etwas zeitverzögert die Attraktivität des Autos erhöht, was den Kapazitätserweiterungseffekt „auffrisst“ und so in weiterer Folge zu noch mehr Stau und noch mehr Kapazitätsausbau führt. Das Problem wird also größer und größer.

Die Richtigkeit dieser Analyse kann empirisch an beliebigen Stellen im Verkehrssystem (Tangente in Wien, Umfahrungsstraßen in Graz, Linz, Innsbruck etc.) jederzeit durch eine Zeitreihenbetrachtung der Verkehrsmengenentwicklungen nachgeprüft werden. Praktischerweise kann das oben vorgestellte Diagramm auch für andere kapazitätserhöhende Maßnahmen, wie zum Beispiel Verkehrsmanagement, eins zu eins verwendet werden, es führt zum gleichen Schluss – Verkehrsmanagement-Maßnahmen verschärfen das Problem, anstatt es zu lösen!

Es muss also die Wirkweise von Stau umdefiniert werden – Stau kann als ein wirksames verkehrspolitisches Instrument einerseits eingesetzt werden, um die Autonutzung zu beschränken, und andererseits als Druckmittel angewendet werden, um z. B. den öffentlichen Verkehr auszubauen oder Parkraumbewirtschaftung sowie andere von AutofahrerInnen als unattraktiv angesehene Maßnahmen mehrheitsfähig zu machen und umzusetzen.