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Konkrete verkehrsplanerische Maßnahmen

Stellplatzverpflichtung & Parkraumorganisation

Der Parkplatz – die heilige Kuh der ÖsterreicherInnen! Betrachtet man die Reaktionen der AutofahrerInnen, wenn es um Parkplätze geht, so wird offensichtlich, wie hoch die individuelle Bindung des Menschen an sein Auto ist. Es scheint, als hätte man, wenn man ein Auto gekauft hat, gleichzeitig einen Gratisparkplatz zuhause und bei jedem anderen Wegziel mitgekauft. Obwohl es üblich ist, für die Benutzung fast jeder anderen Fläche, speziell im bebauten Raum, Miete oder Pacht zu entrichten, scheint dies für Parkplatz auf öffentlichem Grund nicht zu gelten.

Nimmt man an, dass die durchschnittliche Miete für Wohnraum rund 10 Euro pro m² und Monat beträgt, so müsste ein Abstellplatz zwischen 112 und 150 Euro pro Monat in Wien (Ohne Berücksichtigung, dass Mietwohnungen normalerweise in mehrstöckigen Gebäuden untergebracht sind) kosten. Zum Vergleich: Das Parkpickerl in Wien kostet in den „teuren“ Bezirken (1.– 9., Teile des 15. und 20. Bezirks) gerade mal 120 Euro im Jahr und in den günstigeren Bezirken 90 Euro pro Jahr!

Zugutehalten muss man jedoch der Einführung des Wiener Parkpickerls, dass dadurch der Modal Split der nach Wien einpendelnden Menschen zugunsten des Umweltverbundes verändert werden konnte (siehe dazu auch das Fact Sheet des VCÖ zum Thema Parkraumbewirtschaftung: VCÖ, 2016).

Ein weiteres Problem ist die sogenannte Stellplatzverpflichtung, welche auf das NS-Reichsgaragengesetz (Preußisches Finanzministerium, 1939) aus dem Jahre 1939 zurückgeht. In Wien entsteht bei Neu-und Zubauten sowie Änderung der Raumwidmung oder Raumteilung eine Stellplatzverpflichtung (§ 48 Abs. 1 WGarG 2008). Der Stellplatzverpflichtung kann entweder in Form einer Naturalleistung (Pflichtstellplatz) oder der vertraglichen Sicherstellung eines Stellplatzes außerhalb des Bauplatzes im Umkreis von ca. 500 m oder mittels der Entrichtung einer Ausgleichsabgabe nachgekommen werden.

In anderen Worten, man ist verpflichtet, einen Stellplatz für einen Pkw zu errichten, unabhängig von der Erschließung der Wohnung mit öffentlichem Verkehr. Betrachtet man diese Verpflichtung wieder wie in Woche 9 systemisch, so erkennt man erneut, dass diese Maßnahme kontraproduktiv zur Zielerreichung wirkt.

Die Stellplatzverordnung bewirkt eine Erhöhung der Autonutzung, da der Parkplatz unabhängig von der Lage im Raum (Anbindung an den öffentlichen Verkehr) in unmittelbarer Nähe errichtet werden muss und damit die Attraktivität der Autobenutzung erhöht.

Festzuhalten ist weiters, dass die Stellplatzverpflichtung Landes- bzw. Gemeindesache ist und österreichweit verschiedenste Regelungen hinsichtlich der Anzahl der zu bereitstellenden Stellplätze existieren. Die oben angesprochene Systemwirkung ist aber immer dieselbe – eine Attraktivierung des MIV zulasten des Umweltverbundes.

Knoflacher hat schon seit den frühen 1980er-Jahren auf diese Wirkungsweisen der Bereitstellung von Parkplätzen und deren räumlicher Anordnung hingewiesen (Knoflacher, 1985; Knoflacher, 1986; Knoflacher, 1987; Knoflacher, 1993; Knoflacher, 1995). Aus seinen Untersuchungen leitet er ab, dass ein Parkplatz für einen Pkw zumindest gleich weit vom Quell-/Zielort entfernt liegen müsste wie eine Haltestelle des öffentlichen Verkehrs.

Erst dann, stellt Knoflacher fest, hätte ein Mensch die Möglichkeit, sich chancengleich zwischen diesen zwei Verkehrsmitteln zu entscheiden. Systemisch betrachtet, ist zwischen einer Haltestelle des öffentlichen Verkehrs und einem Parkplatz eines Autos kein Unterschied feststellbar – beide sind Orte, wo man von Zufußgehen in den motorisierten Verkehr wechselt (Emberger, 2017a: 22).

Betrachtet man die oben getätigten Ausführungen, so erkennt man, dass diese zwei Punkte (ÖV-Haltestelle vs. Parkplatz) von der Verkehrsplanung in der Vergangenheit komplett unterschiedlich behandelt wurden. Während ein Parkplatz laut Stellplatzverordnung in unmittelbarer Nähe zum Wohnort errichtet werden muss, werden Haltestellenentfernungen bis 2 km im ländlichen Raum als zumutbar eingestuft.

In der Schweiz ist beispielsweise gesetzlich festgeschrieben, dass Neubaugebiete max. 200 m von Haltestellen des ÖV entfernt liegen dürfen und eine halbstündliche Bedienung verpflichtend ist; in Österreich existieren derartige verbindliche Regelungen nicht, es wird nur empfohlen, dass eine Haltestelle im städtischen Gebiet nicht weiter als 300 m entfernt liegen soll. Hier ist ein radikales Umdenken in den raumplanerischen Zumutbarkeitsrichtlinien notwendig, um die Chancengleichheit zwischen ÖV und MIV zumindest bei zukünftigen Planungen herzustellen.