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Kommunikation in Planungsprozessen – Theoretische GrundlagenJulia Forster, Werner Tschirk, Andreas Voigt, Hans Peter Walchhofer

„Gutartige“ und „bösartige“ Probleme

„Bösartige Probleme“ erlauben im Gegensatz zu „gutartigen Problemen“ keine Trennung zwischen Problemstellung und Problemlösung. Erst auf der Suche nach Lösungen beginnt man ein „bösartiges Problem“ zu verstehen, da der Prozess des Problemlösens identisch ist mit der Problemformulierung. Somit kann es auch keine Kriterien dafür geben, wann die Lösung gefunden bzw. ob alle Alternativen betrachtet wurden. Für „bösartige Probleme“ gibt es theoretisch eine Unsumme an potenziellen Lösungen.

Während es für „gutartige Probleme“ im Allgemeinen objektive Kriterien der Beurteilung gibt (z. B.: ob eine mathematische Rechnung richtig oder falsch ist), haben weiters „bösartige Probleme“ die Eigenschaft, dass es kein Kriterium dafür gibt, die Lösung eines Planungsproblems als „richtig“ oder „falsch“ einzustufen. Eine vorgeschlagene Lösung kann lediglich nach persönlichen Vorlieben als „gut“ oder „schlecht“ beurteilt werden.

Rittel formuliert aber auch Lösungsansätze für „bösartige“ Eigenschaften von komplexen Planungsproblemen. Eine wesentliche Rolle spielen dabei das Thema der Kommunikation und die Beteiligung von Bügerinnen und Bürgern im Planungsprozess:

  • Es gibt keine ExpertInnen oder Spezialisten für „bösartige“ Planungsprobleme (mit Ausnahme für die Gestaltung des Planungsprozesses zur Behandlung von „bösartigen“ Problemen). Das meiste Wissen über die Auswirkungen einer Planung haben dabei diejenigen, die davon betroffen sind. Sie sind folglich in den Planungsprozess einzubinden.
  • Da Planungsprobleme nicht auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auf Grundlage von Urteilen gelöst werden können, ist es besonders wichtig, wer den Planungsprozess wie durchführt.
  • Zur Lösung von Planungsproblemen sind daher Methoden einzusetzen, die einen transparenten Planungsprozess und die Offenlegung verschiedener Meinungen und Werthaltungen ermöglichen.
  • Da Planung auf Entscheidungen und Urteilen beruht und daher nicht objektiv bzw. wissenschaftlich ist, kann es letztendlich auch keine Expertinnen und Experten im klassischen Sinne geben, die ihre Entscheidungen durch mehr oder besseres Wissen legitimieren. Das bedeutet, jede und jeder ist berechtigt, seine Meinung zu einem Planungsentwurf zu äußern, und niemand kann behaupten, dass ihr oder (s)ein Urteil besser sei als ein anderes.

Folglich argumentiert Rittel, dass Planung Methoden einsetzen muss, die den erfolgreichen Austausch von Meinungen und Informationen erlauben. Der Weg zur Lösung von „bösartigen“ Planungsproblemen muss als argumentativer Prozess organisiert werden. Alle Beteiligten sollen Positionen formulieren, Argumente einbringen und diskutieren können. Die Planerin oder der Planer sind in komplexen Planungsaufgaben in hohem Maße Experte für den Prozess.

In der heutigen Stadt- und Raumplanung ist es üblich, dass Fachleute aus unterschiedlichsten Fachbereichen wie beispielsweise Architektur, Bauingenieurswesen, Ökologie, Soziologie, Landschaftsplanung oder Raumplanung zusammenarbeiten. Zudem sind nicht nur Expertinnen und Experten, sondern auch Bürgerinnen und Bürger sowie Interessensvertretungen verschiedener Gruppierungen (Vereine, Parteien, …) an dieser Zusammenarbeit beteiligt.

Aus einem breiten Portfolio an heute üblichen und erprobten Partizipations- und Informationsmethoden (siehe Abbildung) können schließlich geeignete Formate ausgewählt werden (siehe Abbildung). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Beteiligung und Organisation von Planung mittels neuer Medien (Social Media; Virtual Reality; 3D-Simulation etc.) zu unterstützen.

Die Einbindung unterschiedlicher Akteure sowie von Bürgerinnen und Bürgern sollte zudem frühzeitig erfolgen. Denn dies verringert das Risiko von Fehlentscheidungen und erhöht die Wahrscheinlichkeit, nichts Wichtiges vergessen zu haben.