Zum Hauptinhalt springen
Die offene Stadt Simona Stockreiter

12.17 „Vereinfachung“ der Stadtlandschaft

Richtet man den Blick auf die Gestaltung des offenen Raumes in Stadtquartieren als auch jene einzelner Gebäude, wird klar, dass Sennetts Kritik der geschlossenen Stadt auf akute Problemlagen verweist, für die ein offener Zugang in Planung und Gestaltung neue, innovative Lösungsansätze bieten könnten.

Zum einen, besteht die von ihm kritisierte Geschlossenheit einer Stadtplanung, wie bereits erwähnt, in der Tendenz, eine Stadt oder ein Quartier in unterschiedliche Zonen aufzuteilen, denen jeweils eigene, voneinander trennbare Funktionen zugeschrieben werden können.

Durch „zoning and regulation“ entsteht somit eine Überdetermination der visuellen Formen und Funktionen in einer Stadt. Damit kann einerseits gemeint sein, dass Quartiersplanung dazu tendiert, zu homogenisieren, indem zum Beispiel Quartiere bewusst als abtrennbare Zonen organisiert werden, in denen anhand einer visuellen, funktionellen Trennung der Lebenseinheiten eine Separation von Arbeit, Konsum, Tourismus, Wohnraum und Freizeit erfolgt (siehe dazu auch Woche 1 „Trends in der Stadtentwicklung“) oder durch soziale Segregation Einwohner*innen in „gated communities“ getrennt werden.

Zum einen also werden die immer komplexer werdenden Strukturen mit denen Städte konfrontiert sind und Lebensweisen der Bewohner*innen vereinfacht. Durch diese Standardisierung der Stadt-und Raumplanung wird deren selbstständige, kreative, kollektive aber auch reibungsvolle und konfliktbehaftete Aneignung der Bewohner*innen behindert. Zudem wird das Zusammentreffen der Einwohner*innen mit unterschiedlichen, einander oft fremden Schichten und ethnischen, kulturellen, religiösen Gruppierungen erschwert.

Die Tendenz der Überdetermination und Vereinfachung der Stadtlandschaft zeigt sich in „geschlossenen“ Smart Cities außerdem in der absoluten Übereinstimmung von Form und Funktion im physischen Design des öffentlichen Raumes und der Architektur moderner Gebäude. Zur Optimierung und Effizienz ihrer Funktion, wird deren Form perfekt angepasst.

Sennett verweist hierzu auf die Planung der Parkstationen für zukünftige, selbstfahrende Autos. Diese sind so stark standardisiert, dass sie nur eine homogene Form der Autos zulassen, größere oder kleinere Autos erforderten den Abriss der alten und die Kreation neuer Parkanlagen.

In diesem Planungskonzept hat jedes Teil des Systems seinen ihm spezifisch zugeordneten Platz im Gesamtbild. Aus diesem Grund bezeichnet Sennett geschlossene Smart Cities auch „Brittle Cities“ (Sennett, R., o. J. b: 3), also „brüchige“ Städte. Denn die Überspezifikation von Form und Funktion von Gebäuden impliziert deren immer kürzer werdende Lebensdauer. Ein in seiner Form überdeterminiertes Gebäude ist unflexibel in der Integration neuer Funktionen. So ist es meist kostengünstiger, es durch ein Neues zu ersetzen. (Siehe dazu auch Woche 2 „Smart City bedeutet auch Ressourcenschonung“)

Es handelt sich demnach um in sich geschlossene Systeme, die wenig Veränderung zulassen und sich von ihrer Umgebung eher abgrenzen, anstatt mit dieser zu interagieren. Deshalb werden in Folge der Globalisierung, moderne Städte, durch die homogene Planung großer, kurzlebiger Gebäudekomplexe die überall funktionieren, einander immer ähnlicher.

Dieser Stadtentwicklung, die in einem Top-down Prozess erfolgt, liegt die Annahme zugrunde, dass die Planer*innen die Bedürfnisse und Wünsche der Benutzer*innen des öffentlichen Raumes wie auch der einzelnen Gebäude besser kennen als diese selbst.

Einer Smart City kann jedoch nur „Intelligenz“ zugeschrieben werden, wenn sie nicht als selbstständiger Akteur betrachtet wird, dessen Form und Wirken von der Intelligenz seiner Einwohner*innen unabhängig ist. In einer intelligenten Stadt wird der Komplexität unterschiedlicher Lebensformen und Funktionsweisen Rechnung getragen, indem deren Bewohner*innen dazu ermächtigt werden, ihre Wohnviertel und konkreten Wohneinheiten zu verdichten und zu verändern.

Um die Bedeutung eines Verständnisses der Stadt als Ort der Interaktion zwischen physischem Raum und dessen Bewohner*innen und Nutzer*innen zu verdeutlichen, soll im folgenden Abschnitt Sennetts Konzept der „agency“ (Sennett, R., o. J., b) einer Stadt vorgestellt werden.