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Komplexe Planung

4.1 Was macht die Quartiersplanung komplex?

Neue Stadtquartiere sind städtebauliche Großprojekte mit komplexen Entscheidungsprozessen, zahlreiche Schnittstellen, langen Entscheidungsphasen sowie unterschiedlichen Entscheidungsebenen. Zum Zeitpunkt der Detailplanung (zum Beispiel Gebäude), sind in der Regel wesentliche Entscheidungen im Bereich Raumplanung, Infrastruktur (Straßen, ÖPNV, Energieversorgung etc.) bereits getroffen (siehe dazu auch untenstehende Grafik).

Gibt es eine Standardmethode?

Bei der Planung eines PEQs kann nicht auf eine Standardmethode zurückgegriffen werden. Je nach Ausgangssituation die u.a. durch Straßen- und Energieinfrastruktur, Raumangebot, Gebäudebestand, klimatische Bedingungen etc. bestimmt wird, müssen passende technologische sowie architektonische Lösungen, die dennoch wirtschaftlich sinnvoll sind, gefunden werden.

Nicht zu vergessen ist, dass für das Gelingen von anspruchsvollen Quartierslösungen auch die Rahmenbedingungen auf überregionaler und nationaler Ebene relevant sind, einerseits was im Zuge eines Raumordnungsprozesses festgelegt wurde, andererseits weil Quartiere bzw. Stadtteile in der Regel nicht über die notwendigen Ressourcen für große Bauvorhaben verfügen (siehe auch Dunkelberg, E., & al.).

Ein PEQ ist mehr als die Summe seiner Bestandteile

Nicht nur das Fehlen einer Standardmethode führt bei PEQs zu höherer Planungskomplexität, sondern auch der Umstand, dass die Situation umso komplexer wird, je mehr (technische) Komponenten bzw. unterschiedliche (erneuerbare) Energieträger verknüpft werden müssen. Hinzu kommt, dass das optimale Zusammenspiel der einzelnen Bausteine bei einem PEQ einen entscheidenden Einfluss hat, mehr als dies bei Einzelobjekten der Fall ist, denn ein PEQ ist mehr als die Summe seiner Bestandteile.

Zu klären sind daher zu Beginn nicht nur die Fragen, welche Effizienzstandards die Gebäude im Bestandsquartier haben, welcher Standard erreicht werden soll (dies gilt auch für das Neubauquartier) oder wie hoch der daraus resultierende Energiebedarf ist.

Die Planungskomplexität erhöht sich für ein PEQ auch dann beträchtlich, wenn die tatsächliche Ausgestaltung der Gebäude erst relativ spät feststeht: So kann beispielsweise die Widmung bekannt sein, d. h. wieviel Bruttogeschoßfläche maximal erlaubt sein wird, aber nicht, wie z. B. die genaue Zusammensetzung der Nutzungsmischung bzw. wie die Gebäude konkret aussehen sollen, insbesondere wenn die Geometrie der Gebäude, die wesentlich auf deren Energiebedarf (passive Gewinne, Verluste) und deren Erzeugungspotential (durch PV) wirkt, noch unbekannt ist bzw. sich im Laufe des Planungsprozesses öfter ändert (siehe dazu auch die Grafik oben).

Darüber hinaus geht es in der frühen Planung auch darum, welcher Autarkiegrad angestrebt wird, wieviel Speicherkapazitäten wirtschaftlich sind und wie groß das Potenzial für erneuerbare Energien wie Photovoltaik und Solarthermie oder Geothermie am Standort ist und vor allem zu welchen Konditionen Flächen für die erneuerbare Energieversorgung vor Ort im Quartier zur Verfügung stehen.

Bei Quartieren bei denen sich Nutzungen, die unterschiedliche Bedarfsprofile wie Wohnen und Büro/Handel oder Bildung aufweisen, überlagern sollen, muss die Frage der Energieversorgung möglichst früh in den Planungsprozess eingebunden werden, um gemeinsam mit dem Energieversorgungsunternehmen oder sonstigen Energiedienstleistern eine ökonomisch sinnvolle Umsetzung zu erreichen (siehe Schöfmann & al.; 2020: 19).

Ein weiterer wichtiger Aspekt stellt bei der Planung der Zeitablauf und die damit verbundenen Herausforderungen dar, die sich durch die (sukzessive) Änderung der Versorgungsstruktur ergeben.

Faktor: Langlebige Strukturen

Gebäude und die darin verbauten Systeme haben einen sehr langen Lebenszyklus, denn veraltete Systeme wie z. B. Ölheizungen werden nur sehr langsam ersetzt. Das führt zu einem starken „Lock-In“-Effekt: Fossile Systeme, die heute verbaut werden, sind mindestens 20-30 Jahre im Einsatz. In Hinblick auf Klima- und Energieziele, die für denselben Zeitraum angesetzt sind (2040 bis 2050), ist es daher besonders wichtig, bereits heute möglichst „zukunftsfähige“ Energiesysteme zu schaffen.

Ein System, das nach heutigen Maßstäben äußerst sinnvoll ist, kann in zwei Jahrzehnten völlig anders bewertet werden. Das hängt zusammen mit der aktuell brennstoffbasierten Technik, die sich in Richtung stromorientierter Systeme verändern wird. Ein deutliches Beispiel dafür ist die Bewertung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), die bei einem zunehmend erneuerbaren Strommix eine immer schlechtere Bewertung erzielt, weil die Gutschriften für den Verdrängungsmix immer kleiner werden.

In einem erneuerbaren Versorgungssystem wird Strom kostengünstiger als z.B. synthetisches erneuerbares Gas sein. Deshalb wird Kraft-Wärme-Kopplung nur noch wirtschaftlich zu Zeiten von Engpässen betrieben werden können, insbesondere in Zeiten mit geringeren Erträgen. Statt einer Jahreslaufzeit von über 6.000 Stunden werden KWK-Anlagen nur noch wenige hundert Stunden im Jahr betrieben, quasi als Notstromaggregat der erneuerbaren Versorgung. Wirtschaftlichkeit kann dennoch erzielt werden, wenn diese Spitzenlast-Bereitstellung mit angemessenen Tarifen vergütet wird. Das bedeutet zugleich, dass Systemlösungen wirtschaftlich sind, die einen möglichst geringen Anteil an KWK zum dauerhaften Betrieb benötigen, also insbesondere im Winter mit niedrigen Leistungen auskommen.

Datenlage

Eine der Herausforderungen im Planungsprozess ist oft auch die Datenlage, vor allem dann, wenn es um die Planung der Energieversorgung im Bestandsquartier geht. Zum einen ist vielfach nicht klar, wie aktuell vorhandene Daten sind oder in welcher Qualität sie zur Verfügung stehen, zum anderen werden relevante Daten wie zum Beispiel über den tatsächlichen Verbrauch in einem Bestandsquartier bzw. Gebäude von den Netzbetreibern aus Datenschutzgründen in der Regel nicht zur Verfügung gestellt.

Die derzeit geltenden Standards für die Berechnung der Gesamtenergieleistung von Wohnhäusern sind jedoch ungeeignet, um das NutzerInnenverhalten hinsichtlich des Energieverbrauchs abzuschätzen, denn die Berechnungen bzw. die Modellierung basieren auf Durchschnitts- bzw. Mittelwerten (siehe Haufe et al. 2016: 184 in T. Bednar & al., 2020: 20).

Dieser Ansatz führt in den Prognosen des Energieverbrauchs zu einer Abweichung zwischen dem geschätzten und dem tatsächlichen Energieverbrauch, weil verschiedene Haushalte ein unterschiedliches Verbrauchsverhalten haben (siehe Haufe et al. 2016: 184 in T. Bednar & al., 2020: 20). Bednar, T., & al., 2020: 20 schlagen daher vor, eine, bevölkerungssensiblere‘ Modellierung des Energieverbrauchs in die Planung einzuführen.


Ist die Aussage zutreffend?