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Klimapläne und Maßnahmen europäischer Städte

2.2 Wien

In den letzten vier Jahrzehnten hat sich in Wien die Jahresdurchschnittstemperatur um ca. 2°C erhöht. Studien prognostizieren, dass eine weitere Erwärmung und eine besonders deutliche Zunahme von Hitzetagen mit Temperaturen über 30°C zu erwarten ist. Vor allem die sommerliche Überhitzung sowie Starkregenereignisse und Trockenperioden haben bereits in den letzten Jahren merkbar zugenommen (Magistratsdirektion Klimaschutzkoordination).

Wie bereits in Woche 1 erwähnt, gehen Klimaforscher davon aus, dass Wien 2050 mit großer Wahrscheinlichkeit das Klima von Skopije (Mazedonien) haben wird. Diese Prognose der ETH Zürich basiert jedoch auch auf der Annahme, dass bis 2050 der Temperaturanstieg 2°C nicht überschreitet.

Mit der 2014 beschlossenen Smart City Rahmenstrategie wurde eine langfristige Dachstrategie für die Transformation Wiens hin zur smarten Stadt beschlossen: Verankert sind nicht nur die Senkung der Treibhausgasemissionen und des Energieverbrauchs, sondern auch ein integrativer Ansatz. 2019 wurde die Neufassung für die kommenden drei Jahrzehnte mit folgenden 12 Zielbereichen beschlossen: Energieversorgung, Wasser- und Abfallwirtschaft, Bildung, Gebäude, Umwelt, Wissenschaft und Forschung, Mobilität und Verkehr, Gesundheit, Digitalisierung, Wirtschaft und Arbeit, Soziale Inklusion und Partizipation. Im Detail formuliert sind die Vorhaben und Projekte u. a. in den einzelnen Fachkonzepten.

Übergeordnete Ziele sind:

  • Senkung der lokalen Treibhausgasemissionen (pro Kopf) um 50% bis 2030 und um 85% bis 2050
  • Senkung des lokalen Endenergieverbrauchs (pro Kopf) um 30% bis 2030 und um 50% bis 2050

(Veigl, A.; Watzak-Helmer, M.; Cerveny, M.; 2019)

Um diese Reduktionen zu erreichen, muss der Endenergieverbrauch pro Kopf in den beiden wichtigsten Verbrauchssektoren Gebäude und Mobilität und Verkehr sinken.

Gebäudesektor

Der Gebäudesektor (Heizung und Warmwasser) ist mit nahezu 40% Endenergie der größte Energieverbraucher der Stadt; denn etwa ein Viertel der Gebäude stammt aus den Jahren 1945–1970 und ca. 20% der Gebäude wurde um 1900 gebaut. Nur 10% sind Neubau (gebaut nach 2001) und weisen einen hohen Gebäudestandard (Niedrigstenergie, Passivhaus, Plus-Energie-Gebäude) auf (Magistratsabteilung 20 – Energieplanung, 2019: 24). Die Zielsetzung besteht darin, den Verbrauch für Beheizung, Warmwasser und Klimatisierung bis 2030 erheblich zu senken. Dazu sind auch Sanierungen erforderlich. Derzeit liegt die Sanierungsrate – im Sinne einer umfassenden Sanierung in Bezug auf den Gesamtbestand an Wohneinheiten – bei unter 1%; bis 2030 müsste sie auf durchschnittlich 2% angehoben werden (Kranzl, L.; Müller, A.; 2018).

Mit der AppEnergy!ahead-App – Wiens Energieprojekte können Sie zahlreiche Projekte (effiziente Sanierungen, klimaschonende Energiesysteme in Stadtentwicklungsgebieten etc.) besuchen.
Download unter: https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/energie/beispiele/vorzeigeprojekte-app.html

Wien hat sich, angesichts des prognostizierten Bevölkerungswachstums, das Ziel gesetzt bis 2030 mindestens 75.000 zusätzliche (leistbare) Wohnungen zu schaffen. Seit einigen Jahren werden daher ganze Stadtviertel neu gebaut, darunter die Seestadt (Fertigstellung 2028), Nordbahnhof (2025) oder auch das „Neue Landgut“ in Favoriten, das bis 2026 fertiggestellt werden soll. Allein in den Jahren 2016 bis 2018 wurden rund 50.000 Baubewilligungen für Wohneinheiten erteilt, der Großteil im mehrgeschossigen Wohnbau. (Statistik Austria). Zahlreiche Gebäude in diesen neuen Stadtvierteln erreichen den klimaaktiv-Standard (siehe auch Smart City Wien Rahmenstrategie, 2019).

Plusenergie-Quartiere als Teil der Stadtentwicklung

Einer der Bausteine im Rahmen der Energie- und Stadtplanung ist die Entwicklung von Konzepten bzw. die Umsetzung eines Plus-Energie-Quartiers als innovativen Vorzeigestadtteil. Intendiert ist die Entwicklung eines Quartier-Energie-Systems, in dem die Vor-Ort erzeugte Energie im Quartier verbraucht werden soll und eine Aufteilung innerhalb des Quartiers möglich wird.

Mobilität und Verkehr

Der Verkehr ist in Wien mit 42 % der gesamten CO2-Emissionen der größte CO2-Emittent (VCÖ, 2019), dennoch weist er mit rund 1,8 Tonnen CO2 pro Person und Jahr im Bundesländer-Vergleich die niedrigsten CO2-Emissionen auf. Das hat laut VCÖ mit der Attraktivierung des Öffentlichen Verkehrs zu tun. Zielsetzungen für die nächsten Jahrzehnte sind unter anderem

  • die Senkung der CO2-Emissionen (pro Kopf) bis 2030 um 50% und bis 2050 um 100%,
  • Senkung des Endenergieverbrauchs (pro Kopf) bis 2030 um 40% und bis 2050 um 70%,
  • kurze Wegstrecken bis zu 5 km sollen auch in Zukunft mindestens 70% aller Wege in Wien ausmachen und sollen Großteils mit dem Rad oder zu Fuß zurückgelegt werden können,
  • bis 2050 sollen alle Autos innerhalb der Stadtgrenzen mit alternativen Antriebstechnologien fahren. (Smart City Wien Rahmenstrategie, 2019)

Eine detaillierte Darstellung des Wiener Verkehrskonzepts (Fachkonzept Mobilität - STEP 2025) finden Sie hier.

Energieversorgung

Der Anteil an der erneuerbaren Energieerzeugung soll, so sind die Pläne, 2030 bei 30% liegen und 2050 dann 70% erreichen (gegenüber 9% im Jahr 2005). Die Voraussetzung dafür ist, dass die Vor-Ort-Erzeugung deutlich ausgebaut wird; ein hohes Potenzial bietet hier der Ausbau der PV und Solarthermie auf den Dächern, der Ausbau bei Wärmepumpen und Biomasse und Fernwärme sowie der Ausbau der Geothermie, deren geologische Realisierung jedoch noch nicht feststeht (Veigl, A.; Watzak-Helmer, M.; Cerveny, M.; 2019).

Um diese Strategie voranzutreiben, wurde im Jahr 2020 eine Solaranlagen-Pflicht auch für Wohnneubauten beschlossen (diese bestand bisher nur für Industriegebäude). Die Höhe der Verpflichtung ist für den Wohnbau so bemessen, dass der produzierte Strom primär unmittelbar im Haus verbraucht wird.

Solarpotenzialkataster Wien

Der Solarpotenzialkataster gibt Auskunft, wie gut die Dachflächen für die solare Nutzung geeignet sind: https://www.wien.gv.at/umweltgut/public/grafik.aspx?ThemePage=9

Eine große Herausforderung wird die Wärmebereitstellung bei der Hälfte der Wiener Wohnungen sein, die derzeit durch Erdgasheizungen erfolgt. Für deren Umstellung müssen einerseits ausreichende Mengen an Fernwärme und Strom aus erneuerbarer Energie bereitgestellt werden. Andererseits benötigen jene Altbauten bzw. Wohnungen, bei denen diese Umstellung nicht möglich ist, „grünes Gas“ aus erneuerbaren Quellen (Smart City Wien Rahmenstrategie, 2019).

Adaptiver Klimaschutz: Vermeidung von Hitzeinseln und Klimatisierung

Ein weiterer Baustein, um die hohe Lebensqualität zu erhalten, ist der adaptive Klimaschutz in Bezug auf die Vermeidung von Hitzeinseln in der Stadt, im Besonderen in den inneren Bezirken, die besonders betroffen sind, zumal gegen Ende des 21. Jahrhunderts in Wien wahrscheinlich 15–28 Hitzetage (Tage über 30°C) auftreten werden.

In der Stadtplanung sollen daher künftig Kaltluftschneisen berücksichtigt werden und, so wie dies auch Paris plant, Frei- und Grünräume vernetzt werden. Die bestehenden Gewässer und Grünräume im Stadtgebiet sollen erhalten bzw. ausgebaut werden. (Smart City Wien Rahmenstrategie)