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Ausgangssituation

6.3 Gemeinschaftliche Quartierssanierung – Was bedeutet das?

In einem Quartier werden üblicherweise die einzelnen Gebäude zu unterschiedlichen Zeiten saniert. Die Sanierung eines bewohnten Viertels bzw. eines Blocks als Gesamtheit ist eher die Ausnahme, besonders dann, wenn unterschiedliche Eigentümer:innenstrukturen vorhanden sind und damit unterschiedliche Interessenslagen, aber auch unterschiedliche Ertragslagen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Investitionsbereitschaft haben.

In der Geblergasse beispielsweise ist die Eigentümer:nnenstruktur (siehe dazu Wörtl-Gössler, J.; Machold, U., 2015) folgende:

  • 15 Miethäuser mit jeweils unterschiedlichen EigentümerInnen
  • 2 Wohnungseigentumshäuser
  • 1 Genossenschaftsbau

Weitere Akteure in einem Quartier können zum Beispiel Mieter:innen, Hausverwaltungen, Fördergeber, Energieversorger, etc. sein.

Diese Strukturen bedeuten, dass sich eine größere Anzahl von Personen auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen muss. Denn die Grundvoraussetzung für ein gemeinschaftliches Vorgehen bei einem Projekt wie dem eines gebäudeübergreifenden Energiesystems, ist eine grundsätzliche Einigung und eine enge Abstimmung zwischen den Eigentümer:innen oder zumindest eines Anteils wie dies in der Geblergasse der Fall war. Eine der Hürden dabei ist, dass im Alltag zwischen den einzelnen Eigentümer:innen kaum bis keine Kommunikation stattfindet, außer im Zuge von Bauverfahren bzw. Bauverhandlungen (siehe Wörtl-Gössler, J.; Machold, U., 2015).

Erschwert wird ein gemeinschaftliches Konzept auch dadurch, dass in den überwiegenden Fällen die einzelnen Gebäude unterschiedlich alt sind und dementsprechend auch einen unterschiedlichen Sanierungsbedarf aufweisen und dadurch ungleiche Ausgangssituationen und Interessenslagen gegeben sind. Die einen haben kürzlich saniert, andere sind in der Einreichphase, wiederum andere haben kein Interesse Investitionen zu tätigen.

Für das Zustandekommen und Gelingen eines Projektes dieser Art, vor allem wenn es sich um ein Pilotprojekt handelt, braucht es zumindest eine Person (einen Kümmerer/eine Kümmerin), die das Projekt vorantreibt; in der Geblergasse übernahm diese Rolle der Architekt Johannes Zeininger.

Die Umsetzung eines Quartiersprojektes hängt jedoch nicht nur vom gemeinsamen Wollen und der Zusammenarbeit der EigentümerInnen ab, sondern in hohem Maße auch von den Finanzierungsmöglichkeiten bzw. ob passende Förderschienen existieren.

In Wien werden Einzelprojekte, bei denen eine Generalsanierung durchgeführt wird, über die sogenannte „Sockelsanierung“ gefördert. Im Falle einer ausschließlich thermischen Sanierung wird über „thewosan“ (THermisch-Energetische WOhnhausSANierung) gefördert.

Einen umfassenden Ansatz bietet die Förderschiene „Sanierungskonzept für Mehrfamilienwohnhäuser“. Die Stadt Wien möchte damit die Vorbereitung von Sanierung von Wohngebäuden unterstützen, wobei die Zielsetzung ein umfassendes Sanierungskonzept ist, das Maßnahmen wie Dämmung der Gebäudehülle, Heizungsumstellung auf hocheffiziente-alternative Energiesysteme und die Nutzung erneuerbarer Energiequellen (Solarthermie, Photovoltaik, Wärmepumpen) gleichermaßen berücksichtigt.

(Quelle: https://www.wien.gv.at/amtshelfer/bauen-wohnen/wohnbaufoerderung/wohnungsverbesserung/sanierungskonzept-mehrfamilienwohnhaus.html)

Mieter:innen müssen einer zentralen Energieversorgung zustimmen

Kommt es zu einer grundsätzlichen Einigung auf der Ebene der Eigentümer:innen, braucht es, wenn die Wohnungen vermietet sind, die Zustimmung der Mieter:innen, die mit einer umfassenden Sanierung, vor allem aber mit einem Umstieg auf ein alternatives Energiesystem einverstanden sein müssen. Das ist deshalb von großer Bedeutung, weil Mieter:innen in Wien nicht gezwungen werden können, einem Umstieg zuzustimmen.

Derzeit sind in den allermeisten Gründerzeit-Wohnungen Gasetagenheizungen installiert. Diese können aufgrund der aktuellen Rechtslage nicht ohne die Zustimmung der Mieter:innen ausgetauscht werden. Zudem macht es rechtlich einen Unterschied, ob Mieter:innen auf eigene Kosten eine Heizung einbauen haben lassen oder die Wohnung bereits mit Heizung vermietet wurde.

Noch schwieriger wird naturgemäß die Ausgangslage, wenn Mieter:innen von einem Modell überzeugt werden sollen, welches eine Mitfinanzierung zum Beispiel in Form einer erhöhten Miete für einen begrenzten Zeitraum vorsieht, denn die Kosten für ein alternatives Energiesystem, sei es auf Gebäude- oder Quartiersebene, dürfen nicht wie bei einer Sockelsanierung auf die Mieter:innen abgewälzt werden.

Die anteilige Abwälzung der Investitionskosten auf die MieterInnen ist auch bei Sockel- und thermischen Sanierungen in Österreich im Gegensatz zu Deutschland nur für einen begrenzten Zeitraum möglich, dann fällt der Hauptmietzins wieder auf den ursprünglichen Betrag zurück.

 Diese Ausgangslage führt zu einem Zielkonflikt, denn der Schutz der Mieter:innen, der unabdingbar ist, um die Gentrifizierung ganzer Viertel zu verhindern, führt zugleich dazu, dass der Anreiz für Liegenschafts-EigentümerInnen sinkt, neben einer umfassenden Sanierung auch in ein (gebäudeübergreifendes) erneuerbares Energiesystem zu investieren.

Denn die Investitionskosten sind erheblich und der Nutzen kommt bei bestehenden Mietverträgen den Mieter:innen zu, die in den Folgejahren geringere Betriebskosten (Heizkosten) haben. Architekt Johannes Zeininger geht darauf im Detail noch einmal in Kapitel 6.9 ein.

Anreize, grundsätzlich zuzustimmen, können die zu erwartenden geringen Heiz- und Energiekosten sowie der hohe Wohnkomfort jedoch schon sein, vor allem dann, wenn die Mieten leistbar bleiben.

Einen umfangreichen Leitfaden zur Stakeholder Einbindung, der im Projekt SINFONIA entwickelt wurde, finden Sie hier: http://alpsthu.bplaced.net/wordpress/.
Eine ausführliche Beschreibung speziell zur Einbindung der MieterInnen, finden Sie hier: http://alpsthu.bplaced.net/wordpress/stakeholder-groups/tenants-2/