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Realisierung des Quartierskonzeptes

6.6 Anergienetze im Bestand – Was sind die Voraussetzungen?

Anergienetze, auch kalte Nahwärmenetze genannt, arbeiten mit niedrigen Systemtemperaturen von etwa 15°–20 °C. Durch diese niedrigen Systemtemperaturen werden nicht nur die thermischen Verluste gesenkt, sie bieten auch gute Bedingungen für Wärmepumpen, denn niedrigere Temperaturdifferenzen bedingen höhere Leitungsquerschnitte und erlauben es, auf eine aufwändige Dämmung zu verzichten (siehe Zach, F., 2016).

Was die Begriffe Anergie und Exergie bedeuten und was sie mit einem Anergienetz zu tun haben, wird im folgenden Video am Beispiel Anergienetz ZAC Ferney Genève erklärt:

Wärmequellen für ein Anergienetz können sein: Abwärme aus Gebäudekühlung / Klimatisierung, Kanalwärme oder Prozess- und Abwärme aus Gewerbebetrieben (z.B. Brauereien, Rechenzentren, Supermarktkühlung) sowie Solarthermie. Künftig können möglicherweise auch Wärmeabsorber in Straßen und Fassaden (siehe Bayer, G. & al., 2020: 15) eingesetzt werden, um Anergienetze zu versorgen.

Anergienetze können als unidirektionale, bidirektionale Netze oder auch in Form einer Kombination aus beiden Formen geführt werden.

Unidirektional bedeutet, dass der Energiefluss nur in eine Richtung verläuft, also zum Beispiel alle Abnehmer:innen Wärme beziehen; ein bidirektionales Netz ist zugleich Wärmequelle und Wärmesenke, wobei die Überschüsse oder Defizite wie beim unidirektionalen Netz durch Wärmezufuhr oder Wärmeentzug ausgeglichen werden müssen. Alternativ können die Bilanzdefizite auch mittels Speicher, z.B. Erdwärmespeicher ausgeglichen werden (Sulzer, M.; Hangartner, D., 2014).

Anergienetze können aber auch in Form einer „Mischvariante“ geführt werden, nämlich als unidirektionales Netz mit Wärmebezug in der kalten Jahreszeit und als bidirektionales Netz im Sommer mit Raumkühlung bzw. Temperierung und gleichzeitiger Warmwasseraufbereitung. Diese Variante wurde in der Geblergasse umgesetzt.

Die „Mischvariante“ ermöglicht einen besonders effizienten Betrieb, wenn der sommerliche Wärmeüberschuss gespeichert und im Winter genutzt werden kann. Die Speicherung der Wärme stellt allerdings im Bestandsquartier eine Herausforderung dar, weil das Platzangebot dafür begrenzt ist. Vor allem die Speicherung durch die Verwendung von wassergefüllten Pufferspeichern ist in der Regel im Gründerzeitquartier unökonomisch (siehe Wörtl-Gössler, J.; Machold, U., 2015: 65). Hinzu kommt, dass auch Bohrungen schwierig sind, weil nicht genügend Platz für die Bohrgeräte vorhanden ist. „In der Regel hängen die Stärke und Leistung eines Bohrgerätes mit dessen Größe und Gewicht zusammen und korreliert mit dem Platzbedarf und der Manövrierfähigkeit des Geräts. Kurz gesagt, je größer das Bohrgerät, desto größer ist auch die erreichbare Bohrtiefe. Welches Bohrgerät im Einzelfall eingesetzt werden kann, hängt stark von der Zugänglichkeit des Bohrplatzes und des verfügbaren Platzbedarfs während der Bohrung ab“ (Bayer, G, & al., 2020). Ein Hindernis können auch bestehende unterirdische Einbauten darstellen.