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Umsetzungsbeispiele

3.7 Das „Wiener Modell“ – ein Prototyp für die Stadtteil- und Quartiersentwicklung

Die Wiener Donauinsel ist nicht nur ein Hochwasserschutzprojekt, sondern – auch in der Wahrnehmung der Bevölkerung – vor allem ein beliebtes Freizeit- und Naherholungsgebiet. Dass dabei auch ökologischen Aspekten großer Stellenwert eingeräumt werden konnte, war keine Selbstverständlichkeit.

Was die Wenigsten wissen: Die Entstehungsgeschichte der Wiener Donauinsel zeigt auch heute noch, wie ein innovativer Planungsprozesses zu nachhaltigen und in der Bevölkerung akzeptierten Lösungen führen kann.

Im Buch „Das Wiener Modell – Erfahrungen mit innovativer Stadtplanung“ (Freisitzer/Maurer, 1985) haben die Planer den Prozess des Entstehens der Wiener Donauinsel festgehalten.

Grundlage für die „Verfahrensinnovation“ bildete die Beobachtung, dass der Routinebetrieb der öffentlichen Verwaltung nur unzureichend für die Behandlung komplexer, fachübergreifender Themenstellungen geeignet ist. Zur Lösung vielschichtiger, komplexer, kompetenzübergreifender Planungsaufgaben mit hoher Kommunikationsdichte, wie dies in der Stadtteil- und Quartiersentwicklung der Fall ist, braucht es eine projektorientierte Planungsorganisation – eine Erkenntnis, die auch heute noch keine Selbstverständlichkeit ist. Immer wieder wird der Fehler gemacht, komplexe Planungsaufgaben durch Aufteilen in sektorale Verwaltungszuständigkeiten lösen zu wollen.

Der Blick auf die Organisationsstruktur beim Planungsprozess zur Wiener Donauinsel lehrt uns, wie Zusammenarbeit bei großen Planungsaufgaben gelingen kann:

Die Planungsorganisation war damals so organisiert, dass Politik, ExpertInnen der Verwaltung, freiberufliche ExpertInnen aus verschiedenen Nationen, fachliche VertreterInnen unterschiedlicher Institutionen sowie Interessenvertreter in den Planungsprozess einbezogen werden konnten (siehe Abbildung). Heute würde jedenfalls auch der Beteiligung der Bevölkerung ein größerer Stellenwert eingeräumt werden.

Rückblickend haben sich weitere planungsmethodische Aspekte im Prozess zum Bau der „Neuen Donau“ bewährt, die auch heute noch grundlegend zum Gelingen komplexer Planungssaufgaben in der Stadtteil- und Quartierentwicklung beitragen können.

Dies sind u. a.:

  • zeitlich klar strukturierter Arbeitsablauf mit einerseits individuellen Arbeitsphasen und andererseits periodischem Austausch zwischen allen Beteiligten,
  • Kontinuität in der Bearbeitung während des gesamten Planungsprozesses,
  • auf die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen ist zu achten und Sachargumenten (vor Formalkompetenz) das größte Gewicht beizumessen,
  • Zugänglichkeit der Unterlagen und transparente Kommunikation zwischen allen Beteiligten,
  • Erfassung und Formulierung der Probleme und Ziele sowie interdisziplinäres Einverständnis darüber,
  • Interdisziplinarität beim Projektteam, bei der Jury und bei der Verwaltung,
  • Konkurrenz der Ideen: Unsicherheiten sind am besten dadurch auszuräumen, dass verschiedene Personen und Gruppen unabhängig voneinander mit der Ausarbeitung der Alternativlösungen beauftragt wurden,
  • Mitwirkung der Betroffenen/Erzeugung von Öffentlichkeit,
  • Wettbewerb, Planung und Durchführung müssen verzahnt werden. Dies fördert den Realitätsbezug, zwingt zu laufender Rückkopplung und Planrevision und macht dadurch Stadtentwicklungsplanung erst zu einem Prozess.

Neben einem klug organisierten Planungsverfahren sind es immer auch die beteiligten Personen, die wesentlich zum Gelingen eines Projektes beitragen können. Politischer Mut, Integrität, Sachkompetenz sowie eine hohe Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen kennzeichnen gute Planungsprozesse. Dies alles sind Faktoren, die gestern wie heute zum Erfolg der Stadtteil- und Quartiersentwicklung entscheidend beitragen können.


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