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Umsetzungsbeispiele

3.8 Der kooperative Prozess am Beispiel des Kabelwerks Wien Meidling

Das Kabelwerk Wien Meidling war über 100 Jahre eines der größten Kabelwerke der Welt und auch einer der größten Arbeitgeber in der Stadt. Es gab nur wenige Familien im Wiener Gemeindebezirk Meidling, die nicht im Laufe der Generationen mit der Geschichte des Werkes in irgendeiner Beziehung gestanden hatten. Dementsprechend emotional belegt war die Schließung des Werkes im Jahre 1997 und der damit einhergehende Umstrukturierungsprozess von einem Industrie- zu einem Wohngebiet.

Nach der Stilllegung der Produktion erfolgte nach einer temporären kulturellen Nutzung der Bau des neuen Stadtteils, in dem nun etwa 3.500 Personen in etwa 950 Wohnungen wohnen.

Die Projektverantwortlichen entschieden sich für ein umfassendes, kooperativ angelegtes Beteiligungsverfahren.

Das Ziel des Planungsprozesses war – wie bei anderen Projekten auch – die Erstellung der Grundlagen für den Bebauungs- und Flächenwidmungsplan.

Das Besondere: Der gesamte Planungsprozess war von einem offenen und kommunikativen Charakter geprägt. Beim Städtebaulichen Ideenwettbewerb galt es nicht, ein fixes Bild einer zukünftigen Entwicklung zu entwerfen, sondern einen Rahmen aufzuspannen, der sukzessive verdichtet werden konnte. Somit war der planerische Freiraum gegeben, innerhalb des Prozesses flexibel zu sein, um rasch auf wechselnde Bedingungen reagieren zu können.

Anders als bei bislang üblichen Vorgehensweisen, bei denen Betroffene erst nach dem Entwurf die Möglichkeit haben, eine Stellungnahme abzugeben, und der Planungsprozess mehr durch Reaktion als Aktion bestimmt ist, wurde beim Projekt Kabelwerk die intensive Beteiligung in den Mittelpunkt gestellt. Dadurch konnte ein Lernprozess für alle Beteiligten in Gang gesetzt werden.

Ein wichtiges Instrument dieser Bürgerbeteiligung war die kulturelle Zwischennutzung der erhaltenswerten Gebäude mit Ausstellungen und Events vor Ort. Im Rahmen der Ausstellungen fand auch eine Bürgerbefragung statt. Sie zeigte, welche Bereiche eine besondere Sensibilität in der weiteren Bearbeitung erforderten.

Innerhalb von fünf Jahren wurden etwa 500.000 Besucherinnen und Besucher bei Veranstaltungen begrüßt. Durch diese „Bespielung“ des Gebietes in der Zeitspanne zwischen Fabrikschließung und Umsetzung des Projektes gelang die Belebung und Transformation der Identität des Areals. Die Kulturarbeit bot der lokalen Bevölkerung direkte Teilnahme an der Aneignung und Gestaltung des Gebietes.

Der Aufwand für die umfassende Beteiligung wurde letztlich durch die Tatsache gerechtfertigt, dass im Zuge der öffentlichen Auflage des Entwurfs zum Flächenwidmungs- und Bebauungsplan kaum Einsprüche aus der Bevölkerung eingingen. Zudem erfuhren die Bürgerinnen und Bürger, dass Planung kein Willkürakt ist, sondern ein evolutionärer Prozess, an dem sie aktiv teilnehmen können.


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